Wie der ADAC durch falsches Krisenmanagement überfahren wurde
Im Schadensfall muss man der Öffentlichkeit sicher gegenüber treten
Die Liste der Institutionen und Unternehmen, die aufgrund ihres Fehlverhaltens in der Öffentlichkeit angeprangert werden, wird täglich länger. Immer häufiger wehen Shitstorms um uns herum und nicht selten stolpern Führungskräfte über vermeintliche Lappalien. Auslöser für die öffentlich gemachten Krisen ist zumeist eine fehlende Struktur in der Krisenkommunikation. Manche Unternehmen und Institutionen bewegen sich aber auch sehenden Auges in eine Kommunikationskrise. Ein junges Beispiel ist die kommunikative Krise des ADAC – mit schweren Folgen. Ein noch nicht gestoppter Mitgliederschwund und ein dauerhaft beschädigtes Ansehen haben den Lobbyverein in seine schwerste Krise seit dem Bestehen gestürzt.
Dabei gibt es Wege und Mittel, der negativen Außendarstellung vorzubeugen. Dazu zählt die krisenfeste Kommunikationskette.
Lassen wir die Entstehung des medialen Super-GAU und deren Nachwirkungen einmal Revue passieren. Den Anfang bildete eine Agenturmeldung über Ungereimtheiten bei der Vergabe eines Preises, der in der Automobilbranche bis dahin eine recht hohe Bedeutung hatte. Mit dem „Goldenen Engel“ schmückte man sich gerne und hatte ein weiteres Verkaufsargument. Die Meinung der Mitglieder des mit Abstand größten Interessensverbandes der Autofahrer in Deutschland wog viel.
Und wie immer, wenn durch die Medien „ein Großer“ an den Pranger gestellt wird, springen umgehend alle mit auf den Zug und recherchieren auf Teufel komm raus. Parallel teilt die Öffentlichkeit ihre Meinung über die sozialen Medien und sorgt für eine Vervielfachung von recherchierten, aber auch nicht belegten Erkenntnissen. Es vermischen sich Dichtung und Wahrheit.
Was tun? Einen einmal entfachen Shitstorm aufzuhalten ist unmöglich. Aber die Leitmedien aus den Bereichen Print, Radio, TV und Web haben eine höhere Nachhaltigkeit. Ihr geschriebenes oder gesendetes Wort wiegt allgemein schwerer. Daher kann es nur ein logischer Schritt sein, in der noch jungen Krise mit offenen Karten zu spielen.
Kommen wir zurück zum ADAC: Eigentlich war das Kind schon vor der Aufdeckung der Schummelei in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen. Die Manipulationen – und wahrscheinlich waren sie nur die Spitze des Eisbergs – sind nicht entschuldbar. Nun gut: Sie sind herausgekommen und daher müssen umgehend alle Instrumente der Krisenkommunikation zum Einsatz kommen.
Die Krise als Chance sehen und vor diesem Hintergrund agieren lautet die Devise. Bei einer derartig mitgliederstarken Organisation lässt sich das Potenzial der Mitglieder nutzen. Warum sollen sie nicht beratend hinzugezogen werden? Nach der unbedingt erforderlichen umgehenden Entschuldigung des Leitungsgremiums wäre es ein mutiger aber sinnvoller Schritt gewesen, willige Mitglieder zu finden, die den ADAC mit reformieren möchten. Aus der Mitgliederberatung wird eine Beratung durch Mitglieder – ein Mitgliederbeirat als transparentes Instrument auch der Öffentlichkeit kann Wunder wirken. „Wir binden Sie mit ein, damit wir besser werden“ wäre ein gutes Leitmotiv.
Eine gefühlt geheuchelte Entschuldigung, wie sie im Verlauf der sich immer schneller drehenden Medienkampagne gegen den ADAC erfolgte, wirkt dagegen lächerlich und unglaubwürdig.
Erst spät trat die Führungsriege zurück. Köpfe rollen lassen hilft zwar mitunter, aber nur dann, wenn es die Neuen nachhaltig besser machen und nicht auf eine Beschönigungskampagne setzen. Danach sieht der aktuelle und breit gestreute Werbespot aus. Die Vorteile einer Mitgliedschaft und das Rabattsystem stehen im Vordergrund. Kernkompetenzen bleiben außen vor.
Auch Tage nach dem Beginn der Krise gibt es im ADAC-eigenen Webauftritt keine eigene Krisenseite als mögliches Instrument der selbstkritischen Öffentlichkeitsarbeit. Noch schlimmer: Kritische Videos, die auf Social Media-Kanälen auftauchen, werden rigoros gelöscht. Dies gilt jedoch in der Netzöffentlichkeit zu Recht als No-Go.
Interessant ist, dass die riesengroße Austrittswelle ausgeblieben ist. Das liegt aber auch daran, dass es hinsichtlich der traditionellen ADAC-Leistungen kaum Alternativen gibt. Viele Mitglieder wünschen automobilbezogene Leistungen und erhalten sie von ihrem ADAC. Allerdings sind ADAC-Mitglieder auch äußerst passiv. Das spiegelt sich auch in der Kommunikation wider. Positive Kommentare von Mitgliedern finden sich nur selten, was für die sozialen Medien recht ungewöhnlich ist. Jetzt ist der ADAC aufgerufen, die in vielen Kommentaren enthaltene Beratungsleistung zu erkennen und die Innovationskraft zu nutzen. Es wäre leicht, die Mitglieder einzubeziehen und über die neusten Entwicklungen Bericht zu erstatten. Der Zug für diesen Weg ist noch nicht abgefahren.
Ein Fahrplan für das bessere Umgehen mit der Situation nach der Veröffentlichung einer Mauschelei könnte wie folgt aussehen:
Die Umstände müssen schnellstmöglich aufgeklärt werden. Nachdem sich der erste Presserummel gelegt hat gilt es, die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Im Falle des ADAC wäre es angemessen gewesen, die Kernleistungen (Interessenvertretung für die private und berufliche Mobilität seiner Mitglieder und ihrer Familien, Unterstützung bei der Erholung, der Freizeit und auf Reisen, Hilfe, Rat und Schutz, auch nach Panne, Unfall und bei Krankheit und Förderung des Versicherungsschutzes seiner Mitglieder) offensiv zu kommunizieren.
Konkrete Lösungsschritte: