Ein Bericht von Ulrike Dolle.
Direkt von dem Excellence-Vorzeige-Unternehmen „Schindlerhof“ kam Dr. André Moll, begleitet durch Martin Holzwarth, am 14. März 2018 und traf sich mit 12 Service-Excellence-Interessierten auf der Online-Infoveranstaltung-Plattform des BDVT.
Die Fachgruppe Service, unter Leitung von Ulrike Dolle, hat zu der Online-Infoveranstaltung „Committed to Service Excellence – eine Standortbestimmung“ eingeladen, um den Mitgliedern des Berufsverbands für Training, Beratung und Coaching die Chance zu geben, sich noch intensiver mit der Bedeutung des Themas, exzellente Kundenerlebnisse zu zaubern, auseinanderzusetzen. Dr. André Moll und Martin Holzwarth waren als Vertreter der Initiative Ludwig-Erhard-Preis e.V. (ILEP) als Experten geladen.
Ganz konkret ging es um den Begutachtungsstandard „Committed to Service Excellence“, welcher von der ILEP definiert worden ist, um Unternehmen auf ihrem Weg, Kundenbegeisterung zu erreichen, zu begleiten. Diese Begutachtung ist auf der Basis der CEN/TS 16880 entstanden.
Was genau Service Excellence ist, darüber hat die Fachgruppe Service des BDVT intensiv diskutiert. Sie hat Service Excellence, so formuliert: „Service Excellence ist die Managementstrategie, durch die Führungskräfte und Mitarbeitende einer Organisation kontinuierlich danach streben, den Kunden jederzeit und an jedem Kontaktpunkt so zu begeistern, dass er wiederkauft und die Organisation in seinem gesamten sozialen Umfeld aktiv und aus freien Stücken weiterempfiehlt.“
Diese Definition basiert auf der CEN/TS 16880. Die CEN/TS 16880 „Service Excellence – Schaffung von herausragenden Kundenerlebnissen durch Service Excellence“ ist ein Managementstandard, entstanden auf Grund einer europäischen Initiative, an der zehn europäische Nationen mitgearbeitet haben. Unter Leitung von Prof. Dr. Matthias Gouthier vom Center for Service Excellence der Universität in Koblenz haben Vertreter von AUDI, Commerzbank, Deutsche Bahn, IBM, Lufthansa AirPlus und Porsche daran mitgestaltet. Er hilft Unternehmen, ihre Position am Markt durch herausragende Kundenerlebnissen zu steigern, denn positive Kundenerlebnisse erhöhen die Kundenbegeisterung und ihre Loyalität.
Wenn es eine Servicesituation gibt, die zwischen Chaos und Perfektion liegt, an welchem Punkt ist eine Organisation besonders erfolgreich? An welchen Punkt bin ich in der Lage, meine Kunden zu begeistern und bin trotzdem noch wirtschaftlich? Welche Anforderungen haben meine Kunden an meine Organisation?
Ein Service, der Kundenbegeisterung erzeugt, geht meist über den, für eine Organisation wirtschaftlich gesehenen, optimale Punkt hinaus. Der Service-Excellence-Ansatz hilft dabei, die Organisation zu befähigen, eine optimale Serviceleistung für ihre Kunden zu gestalten und trotzdem dabei wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie fehlertolerant meine Kunden sind. Dazu nannte Dr. Moll ein Beispiel: Fahre ich einen Dacia und er klappert ein bisschen, dann bin ich als Kunde bereit, vielleicht das Klappern zu akzeptieren. Kaufe ich allerdings einen Daimler oder einen Ferrari, dann toleriere ich das wahrscheinlich nicht. Auch bei dem Besuch in der Werkstatt sind die Erwartungen sehr unterschiedlich.
Der Schindlerhof spricht in diesem Kontext über Herzlichkeit. Mit welcher emotionalen Leistung möchte ich meinem Gast gegenübertreten? Dazu sind Strukturen nötig, die Herzlichkeit ermöglichen. Und das ist eine große Herausforderung – nicht für die einzelne Person, sondern für die gesamte Organisation.
Je höher die Erwartungen des Kunden an meine Organisation, desto geringer darf der Fehleranteil sein. Wie komme ich dahin? Das Lernen aus Fehlern ist teuer und schmerzhaft. Der Bewertungsprozess Commited to Service Excellence, angelehnt an das EFQM-Modell, macht die Lernoptionen durch ein Assessment in der Organisation sichtbar. Dabei ist man auf der Suche nach den besonderen Stärken oder nach den besonderen Schwächen. Alles was Mittelmaß bedeutet, interessiert in diesem Modell nicht.
Hier ein Beispiel: Ein Call-Center ist schlecht erreichbar. Das Unternehmen stellt einen weiteren Mitarbeiter ein. Das Call-Center ist nun besser erreichbar. Es macht vom Gleichen mehr, auf einem breiteren Sockel. Das bezeichnet Dr. Moll als horizontales Lernen. Das Unternehmen ist dadurch nicht besser geworden.
Im Gegensatz dazu verbessert das Call-Center durch vertikales Lernen die Effizienz seines Handelns. So kann ein neues Niveau der eigenen Handlungsfähigkeit erreicht werden, so dass es die gleiche oder eine bessere Leistung als andere erbringen kann. Dies funktioniert nur durch konsequentes Hinterfragen und Verbessern auf strategischer und operativer Ebene, damit es nicht zu einem finanziellen Mehraufwand führt.
Es geht nicht um Schönheit, es geht um Geschäft. Exzellenter Service sind keine On-Top-Leistungen, indem man dem Kunden noch ein „Blümchen“ mit dazugibt. Es geht vielmehr darum, komplexe Serviceprozesse so aufzustellen, dass sie nicht zu einem Mehraufwand führen.
Dazu ein Beispiel: Wenn man zu einer Filiale der Supermarktkette Kaufland kommt – sie betreibt ein eigenes Fleischwerk – bekommt man vor der Tür eine Bratwurst für 1,00 Euro. Diese Bratwurststände sind systematisch vor den Filialen eingeführt worden. Warum macht man das? Man tut den Kunden einen Gefallen. Da die Würstchen in der eigenen Fleischerei hergestellt werden, ist dieses Angebot wirtschaftlich. Zusätzlich zieht dieser Service mehr männliche Käufer an. So richtet sich dieses Serviceangebot an Männer, die dann noch in dem Supermarkt einkaufen. Die Ertragslage wird verbessert.
Die Abgrenzung von Kundenbegeisterung von Kundenzufriedenheit ist ein wesentlicher Aspekt zum Verständnis von Service-Excellence. Jemand hat Durst und möchte gerne etwas trinken. Er kauft sich eine Flasche Wasser. Damit hat er etwas zu trinken und der Zweck ist erfüllt. Der Kunde ist zufrieden. Dieser Vorgang führt aber nicht zu einer langfristigen Kundenbeziehung, die man als Unternehmen anstrebt.
Betrachtet man einen Autokauf. Ein Auto wird als „nicht schlecht“ beurteilt. Es ist aber nicht sicher, dass ein Kunden sich das nächste Mal wieder ein Auto von dieser Marke kaufen wird. Die Loyalität zu dem Unternehmen und der Marke ist nicht gewährleistet. Die entscheidende Frage ist, ob ein Unternehmen Sinn stiften kann.
Kommen wir zurück auf den Schindlerhof. Wenn man in den Frühstücksraum kommt, wird man von einer älteren Dame, die dort gefühlt schon immer arbeitet, mit Handschlag und Namen begrüßt. Es ist ihr Anspruch, möglichst viele Gäste persönlich zu kennen. Persönlich von der Dame angesprochen zu werden löst Begeisterung aus. Das ist mehr als nur den Magen zu füllen, etwas zu trinken und satt in den Tag zu gehen. Wenn mich jemand fragt, ob ich wieder meinen Assam Tee trinken möchte, dann fühle ich mich persönlich angesprochen, dann umgibt mich ein Flair, persönlich willkommen zu sein.
Zu Beginn aller Maßnahmen zur Kundenbegeisterung sollte sich eine Organisation die Frage stellen: Woran erkenne ich, dass ich als Organisation Begeisterung auslöse? Wie erfrage ich das jedoch? „Hat Ihnen das gefallen?“, führt zu nichts. Da sind wir bei dem Thema Zufriedenheit. Zu fragen, ob jemand begeistert ist, ist wohl zu plump. Es bietet sich der Net Promoter Score (NPS) an: „Würden Sie unser Unternehmen an einen Freund, Kollegen oder Bekannten weiterempfehlen?“ Diese Frage beantwortet die Weiterempfehlungsbereitschaft eines Kunden. Dies tut er nur, wenn er von einer Organisation restlos überzeugt ist und es wirklich verantworten kann, sie zu empfehlen. Das bedeutet also zuerst zu überlegen, wie prüfe ich, dass ich tatsächlich eine Veränderung erreicht habe und dann erst die passenden Veränderungsmaßnahmen dazu einleite.
Um Veränderungsmaßnahmen zu etablieren braucht es ein Servicekonzept. Der Schindlerhof hat ein solches. Darin ist klar hinterlegt: „Was haben wir vor?“ Er veranstaltet mit seinen Mitarbeitenden Workshops, in denen es darum geht, für ein Serviceverständnis zu sensibilisieren. Dies kann durch die Etablierung einer Service- Excellence Kultur geschehen und die Beantwortung der Frage „Wie gut wird das Thema Service in unserer Organisation gelebt?“. In diesem Jahr steht der Schindlerhof zum Beispiel unter dem Thema „Achtsamkeit“. Es soll dazu anregen, herauszufinden und zu spüren, was Kunden wünschen – also die Wahrnehmung zu schärfen. Über den Mitarbeitenden, der das Servicekonzept unterstützt, gibt es eine Chance, Kundenbegeisterung zu erzielen.
Um Kundenbegeisterung zu leben, braucht man Mitarbeitende, die eine Antenne dafür haben, ob es einem Kunden gut geht oder ob er noch etwas braucht. Sie zu finden, ist nicht so einfach. Deshalb ist es wichtig, Menschen im eigenen Team kontinuierlich so zu fördern, dass sie in der Lage sind, Kundenbedürfnisse zu erspüren. Dabei orientieren sie sich an Werten, die man in einem Leitbild definiert. Dadurch kann ich Mitarbeitende kontinuierlich darauf einschwören, begeisternden Service zu leisten.
Der Weg zu einer exzellenten Serviceorganisation kann lang sein. Man startet mit einer Standortbestimmung durch das schon erwähnte Assessment. Um sich einem Assessment zu stellen, muss man einige Voraussetzungen erfüllen. Diese sind in dem Dokument „Leitfaden für Bewerber“ zu finden, das man >>>hier<<< kostenlos downloaden kann.
Das Assessment ist auch für den direkten Vergleich von Filialen geeignet. So kann man feststellen, dass eine Filiale eines Autohauses besseren Service anbietet als eine andere. Daran ist zum Beispiel zu erkennen, dass ein andere Service-Haltung einer Führungskraft zu unterschiedlichen Service-Ergebnissen führt: Autokäufer kommen gerne wieder, wenn sie von exzellentem Service begeistert wurden.
Bei der Bewertung geht es nie um „schlecht“, sondern vielmehr darum, zu entdecken, was schon richtig toll ist oder Verbesserungspotential zu entdecken. Dadurch ist ein erster oder nächster Entwicklungsschritt möglich. Voraussetzung ist immer, dass man ihn auch erkennt.
Durch das Stellen einer zielorientierten Frage, ist eine konkrete Messung möglich. Eine Frage könnte zum Beispiel sein: „Wie gelingt es uns, dass auch Frühanreisende möglichst schnell ihr Zimmer beziehen können?“
Ein exzellenter Schachspieler benötigt auch nicht mehr Figuren als ein durchschnittlicher Schachspieler. So muss eine exzellente Organisation auch nicht mehr neue Serviceleistungen, sondern braucht eine exzellente Ausführung dessen, was die Kunden von ihnen erwarten, um dadurch die Erwartungen derer zu übertreffen und sogar zu überraschen.
Sie möchten mehr zum Thema Service Excellence erfahren? Dann sprechen Sie uns sehr gerne an: 05251 28897 120.
Management der Kundenbegeisterung: Wie Sie Kunden durch Excellence überzeugen, Gouthier / Kohler / Moll
Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises 2018 im Radialsystem in Berlin am 15. Juni 2018
Durch die Online-Infoveranstaltung führten Dr. André Moll, Martin Holzwarth und Ulrike Dolle.
Dr. André Moll ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Initiative Ludwig-Erhard-Preis, der mit dem Buch „Management der Kundenbegeisterung“ ein Grundlagenwerk zum Thema Service Excellence im Symposion-Verlag (heute WEKA) veröffentlicht hat. Er ist einer der Entwickler des Begutachtungsverfahren und hat den Zusammenhang zwischen der CEN/TS 16880 und dem EFQM Excellence Modell hergestellt.
Martin Holzwarth ist seit über 20 Jahren freier Berater und Trainer. Mit seiner Expertise in Organisationsentwicklung und der Anwendung des EFQM Excellence Modells unterstützt er die Initiative Ludwig-Erhard-Preis als Operating Partner und bei der Verbreitung des Service Excellence Themas.
Ulrike Dolle Leiterin der Fachgruppe Service im BDVT e.V., Geschäftsführerin des ADM Instituts in Paderborn und Expertin für Service Excellence. Dort verantwortet sie die Service Exsellence Masterausbildung. Gerade ganz neu erschienen ist ihr Buch „Kundenorientierung und Servicefreude“, ein Arbeitsbuch für Servicemitarbeitenden in der ITK-Branche. Es wurde vom ADM-Verlag veröffentlicht.